Besteuerung von Kapitalgesellschaften

Rettung von vergessenen Einlagen im steuerlichen Einlagekonto – BFH zeigt einen (teuren) Ausweg

BFH-Urteil vom 25.02.2025 – VIII R 41/23

Der Fall

Klägerin ist die unbeschränkt steuerpflichtige H-GmbH, deren Unternehmensgegenstand das Halten und Verwalten von Unternehmensbeteiligungen sowie Vermögensverwaltung ist.

Im Jahr 2009 leisteten die Anteilseigner der H-GmbH eine Einzahlung in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB in Höhe von 10 Mio. EUR. Ein Zugang zum steuerlichen Einlagekonto i.S. von § 27 Abs. 1, 2 KStG wurde nichterklärt, sodass die gesonderte Feststellung zum 31.12.2009 einen Bestand von 0 EUR auswies. Der Feststellungsbescheid wurde bestandskräftig. Eine Änderung nach § 129 AO wurde seitens der Finanzverwaltung abgelehnt.

Am 17.07.2017 beschloss die Gesellschafterversammlung der H-GmbH eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln um 10 Mio. EUR. Das Stammkapital erhöhte sich durch Umwandlung der Kapitalrücklage von 25.000 EUR auf 10.025.000 EUR.

Am 04.09.2018 erfolgte eine Stammkapitalherabsetzung um 10 Mio. EUR auf (wieder) 25.000 EUR. Der Herabsetzungsbetrag wurde vom Stammkapital in die Kapitalrücklage umgebucht. In ihrer Erklärung zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zum 31.12.2017 nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 4 KStG erklärte die H-GmbH einen Sonderausweis von 0 EUR.

Problem

Das Finanzamt stellte einen Sonderausweis i.S. von § 28 Abs. 1 KStG in Höhe von 10 Mio. EUR, da die Einzahlung in die Kapitalrücklage nicht im Bestand des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 Abs. 2 KStG zum 31.12.2017 erfasst sei.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat die Auffassung der Finanzverwaltung abgelehnt und entschieden, dass ein Sonderausweis gemäß der Ausnahmevorschrift in § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG („… mit Ausnahme von aus Einlagen der Anteilseigner stammenden Beträgen zugeführt worden sind,…“) zum 31.12.2017 nicht festzustellen sei („0 EUR“).

Sonstige Rücklagen i.S. von § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG sind alle Rücklagen, die nicht im steuerlichen Einlagekonto im Sinne von § 27 Abs. 1 KStG erfasst sind. Darunter fallen nicht nur Gewinn-, sondern auch Kapitalrücklagen. Der Begriff der sonstigen Rücklagen bildet mithin die Summe aller Rücklagen, die nicht im steuerlichen Einlagekonto erfasst sind. 

Demgemäß ist das Nennkapital der H-GmbH in 2017 um 10 Mio. EUR durch die Umwandlung von sonstigen Rücklagen erhöht worden. Das steuerliche Einlagekonto wurde nicht verwendet. 

Eine nach § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG vom Sonderausweis auszunehmende „Einlage der Anteilseigner“ setzt nach Ansicht des BFH nicht voraus, dass sie im steuerlichen Einlagekonto erfasst ist (vgl. auch Streck/Binnewies, KStG, 10. Aufl., § 28 Rz 23; Binnewies, GmbHR 2015 S. 1065, 1069; Ott, DStZ 2016 S. 227, 232; Ott, DStR 2014 S. 673, 675).Da nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG die 10 Mio. EUR, die vor der Kapitalerhöhung in der Kapitalrücklage der H-GmbH erfasst waren, aus einer Einlage der Anteilseigner stammen, lagen die Voraussetzungen für die Ausnahme vom Sonderausweis nach § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG vor.

Anmerkungen aus Beratersicht

Mit der nunmehr vorliegenden Entscheidung hat der BFH eine „Reparaturmöglichkeit“ von versehentlich nicht im steuerlichen Einlagekonto erfassten Einlagen gebilligt. Denn durch die Kapitalherabsetzung im Jahr 2018 kommt es mangels Sonderausweis zum 31.12.2017 zu einer vollständigen Erfassung der Kapitalrücklage von 10 Mio. EUR im Bestand des steuerlichen Einlagekonto (§ 28 Abs. 2 Satz 1 KStG). 

Das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauch aufgrund der zeitlichen Nähe (2017 und 2018) war offensichtlich aus Sicht des BFH unerheblich

Bei dieser Rettungsvariante ist jedoch zu beachten, dass diese nicht unerhebliche Kosten (u.a. Prüfungsgebühren, Notargebühren) auslöst. Nach § 57e Abs. 1 GmbHG kann dem Kapitalerhöhungsbeschluss die letzte Jahresbilanz nur dann zugrunde gelegt werden, wenn diese geprüft und die festgestellte Jahresbilanz mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk der Abschlussprüfer versehen ist und ihr Stichtag höchstens acht Monate vor der Anmeldung des Kapitalerhöhungsbeschlusses zur Eintragung in das Handelsregister liegt. Die Pflichtprüfung der Jahresbilanz gilt auch für kleine Kapitalgesellschaften i.S. des § 267 Abs. 1 HGB bzw. für Kleinst-Kapitalgesellschaften i.S. des § 267a HGB, obwohl für diese keine gesetzliche Prüfungspflicht nach § 316 Abs. 1 HGB besteht.Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung des BFH im Wesentlichen im Wortlaut der Vorschrift begründet ist. Der BFH weist darauf hin, dass Hätte der Gesetzgeber regeln wollen, dass jede Erhöhung des Nennkapitals, die nicht aus dem steuerlichen Einlagekonto finanziert werden könne, zum Sonderausweis führen müsse, hätte er die zitierte Formulierung weglassen müssen. Es bleibt daher abzuwarten, ob der Gesetzgeber durch eine entsprechende Gesetzesänderung in § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG künftige Gestaltungen versperrt.