Sachverhalt
M ist mit 20 % am Stammkapital der Z-GmbH beteiligt. Gemäß notarieller Urkunde vom 15.03.2012 hat M ihre 20 %ige Beteiligung an der Z-GmbH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihren Sohn (S) unentgeltlich übertragen (Übergang des wirtschaftlichen Eigentums) und sich den Nießbrauch an den künftigen Gewinnausschüttungen der Z-GmbH auf den 20 %igen Anteil vorbehalten (Vorbehaltsnießbrauch). Zudem hat sich M die unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht in Gesellschafterversammlungen und, im Falle des Vorversterbens von S, ein Rückübertragungsrecht einräumen lassen.
Mit notariellem Vertrag vom 12.10.2018 veräußerte S 20 %ige Beteiligung an der Z-GmbH zu einem Kaufpreis von 2,4 Mio. EUR. Es wurde vereinbart, dass das Nießbrauchsrecht der M an den veräußerten Geschäftsanteilen aufgehoben wird. Die Aufhebung erfolgte gegen Zahlung eines Betrages i.H.v. 1,9 Mio. EUR von S an M.
Problem
In der Einkommensteuererklärung 2018 erklärte M, dass es sich bei der Ablösezahlung i.H.v. 1,9 Mio. EUR um eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung i.S. des BMF-Schreibens vom 30.09.2013 (BStBl. I 2013 S. 1189) handele, die nicht zu steuerbaren Einkünften führen würde.Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass die Zahlung i.H.v. 1,9 Mio. EUR von der M gemäß §§ 24 Nr. 1 Buchstabe a i.V.m. 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Ersatz für entgehende Einnahmen zu versteuern ist.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat die Auffassung der Finanzverwaltung abgelehnt.
Der S hat im Jahr 2012 das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen an der Z-GmbH erworben, sodass der Ablösebetragin 2018 nicht von M als Entschädigung für entgehende Einnahmen aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG) zu versteuern sei. Denn bei der Annahme fehlenden wirtschaftlichen Eigentums von M an den Anteilen an der Z-GmbH scheidet eine Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgrund des Nießbrauchsvorbehalts aus. Da § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG keine die Einkünfte erweiternde Bedeutung hat, liegen bei M insoweit keine steuerbaren Einkünfte vor.Auch sei der Ablösebetrag weder bei den Einkünften aus § 17 EStG noch unterliegt er aus anderen Gründen der Besteuerung.
Praxishinweise
Nach Ansicht des BFH setzt § 20 Abs. 5 Satz 3 EStG mithin für eine Zurechnung der Einnahmen aus einer Beteiligung an einer GmbH zum Nießbrauchsberechtigten voraus, dass dem Nießbrauchsberechtigten auch das wirtschaftliche Eigentum i.S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO an den Geschäftsanteilen, an denen der Nießbrauch eingeräumt wurde, zusteht (so im Ergebnis auch Brandis/Heuermann/Ratschow, EStG § 20 Rn. 455; Buge in H/H/R, EStG § 20 Rn. 25).
Hierfür reicht es nicht aus, wenn an einem GmbH-Geschäftsanteil unentgeltlich ein Nießbrauch zugunsten eines Dritten bestellt wurde, der dem Nießbrauchsberechtigten lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil gemäß § 1068 Abs. 2, § 1030 i.V.m. § 99 Abs. 2, § 100, § 101 Nr. 2 BGB einräumt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Nießbrauchsberechtigte eine Rechtsposition innehat, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft und ihn insofern dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichstellt (vgl. BFH-Urteil vom 24.01.2012 – IX R 51/10, BStBl. II 2012 S. 308 Rn. 15; BFH-Urteil vom 14.02.2022 – VIII R 29/18, BStBl. II 2022 S. 544 Rn. 16).
Leider lässt das BFH-Urteil weitere Ausführungen dazu vermissen, unter welchen Voraussetzungen das wirtschaftliche Eigentum an den unentgeltlich übertragenden GmbH-Anteilen beim Nießbraucher verbleibt. Es ist daher mehr als fraglich, ob eine unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht in Bezug auf die Nießbrauchs belasteten GmbH-Anteile ausreichen würde. In der Praxis sollte daher davon ausgegangen werden, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form von Gewinnausschüttungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 ESt stets dem zivilrechtlichen Anteilseigner zuzurechnen sind.
Der BFH bestätigt damit auch die Entscheidung des FG Köln mit Urteil vom 29.02.2024 (7 K 95/23, ErbStB 2024 S. 244), welches eine Ablösezahlung keiner steuerbaren Einkunftsart zugeordnet hat, sofern die Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgrund des wirtschaftlichen Eigentums an den GmbH-Anteilen nicht dem Nießbraucher zuzurechnen sind. Steuerlich ist darüber hinaus interessant, dass aus Sicht des Anteilseigners die Ablösezahlung für den Nießbrauch als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. des § 17 Abs. 2a Satz 2 EStG zu berücksichtigen ist und zwar unabhängig von der Frage der Besteuerung dieser Ablösezahlung beim Nießbraucher (vgl. BFH-Urteil vom 18.11.2014 – IX R 49/13, BStBl. II 2015 S. 224). Diese wirken sich damit zu 60 % (§ 3c Abs. 2 EStG) steuerwirksam aus.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 20.09.2024 – IX R 5/24, DStR 2024 S. 2682.