BFH-Urteil vom 23.10.2024 – XI R 24/21, DStR 2025 S. 381
Sachverhalt
R ist alleiniger Gesellschafter der R-GmbH. Mit Vertrag vom 19.12.2014 und Wirkung zum 31.12.2014 übernahm die R-GmbH die durch die A-GmbH dem R erteilte Versorgungszusage.
Als Gegenleistung für die übernommene Pensionsverpflichtung wurden Vermögenswerte aus Lebensversicherungen sowie Forderungen gegenüber R in Gesamthöhe von 512.052 EUR von der A-GmbH übernommen. Die R-GmbH buchte die Übernahme der Pensionsverpflichtung mit den Anschaffungskosten in Höhe von 512.052 EUR in die Pensionsrückstellungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3, 3a EStG).
Problem
Gemäß § 5 Abs. 7 EStG musste die R-GmbH die Pensionsrückstellung zum 31.12.2014 auf den zutreffenden Wert nach § 6a EStG abwerten, sodass es zu einem Erwerbsfolgegewinn i.H.v. 77.881 EUR kam.Für den Erwerbsfolgegewinn i.H.v. 77.881 EUR begehrte die R-GmbH nach § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG eine gewinnmindernde Rücklage zu bilden, was die Finanzverwaltung mit Verweis auf § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG abgewiesen hat. § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG beschränke die Möglichkeit der Rücklagenbildung ausdrücklich auf die Fälle des § 5 Abs. 7 Satz 1 bis 3 EStG. Die Übertragung einer Pensionsverpflichtung werde in § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG behandelt und sei deshalb nicht erfasst.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat die Ansicht der Finanzverwaltung abgelehnt und die Bildung einer gewinnmindernden Rücklage bei der R-GmbH zugelassen.
Bei einer Pensionszusage handele es sich um eine übernommene Verpflichtung, die beim ursprünglich Verpflichteten Ansatzbeschränkungen beziehungsweise Bewertungsvorbehalten (vgl. § 6a EStG) unterlegen hat. Es liege ein Fall des § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG vor. Als Rechtsfolge ergibt sich daraus an sich, dass die R-GmbH die Verpflichtung so zu bilanzieren hat, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten ohne Übernahme zu bilanzieren wäre.
§ 5 Abs. 7 Satz 4 EStG begründe neben Satz 1, 2 und 3 hingegen keine neue vierte Fallgruppe, sondern ordnet für einen Teil der Übertragungsfälle des Satzes 1 eine besondere Bewertung an. Er betrifft Übertragungen im Sinne des § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG.Daher dürfe die R-GmbH nach § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG, der auf § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG Bezug nimmt, eine gewinnmindernde Rücklage bilden.
Anmerkungen aus Beratersicht
Ob eine Rücklage nach § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG auch für einen Gewinn offensteht, der aus einer übernommenen Pensionszusage resultiert, ist umstritten.
Nach einer Ansicht stellt § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG keinen eigenen Tatbestand dar. Die Vorschrift regele nur die Berechnung des Gewinns besonders, die sich grundsätzlich nach § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG richte. Insoweit liege auch ein Fall des § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG vor; der Gewinn aus einer entsprechenden Übernahme sei daher von der Bezugnahme des § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG auf Satz 1 erfasst (jedenfalls im Ergebnis zustimmend Reddig in: Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl., § 5 Rn. 235a; Briese, DStR 2019 S. 943 f.; Lieb, BB 2022 S. 306).
Nach anderer Ansicht im Schrifttum sowie des beigetretenen BMF ist eine Rücklagenbildung bei Pensionsübernahme nicht zulässig. Einer solchen stehe schon der Wortlaut des § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG entgegen. So beschränke § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG die Möglichkeit der Rücklagenbildung ausdrücklich auf die Fälle des § 5 Abs. 7 Satz 1 bis 3 EStG. Die Übertragung einer Pensionsverpflichtung werde in § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG behandelt und sei deshalb nicht erfasst (vgl. Tiedchen in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 5 EStG Rz 2462; Schiffers/Strahl/Fuhrmann/Veit in: Korn, § 5 EStG Rz 660; Veit/Hainz, BB 2014 S. 1323, 1326; Huth/Wittenstein, DStR 2015 S. 1088, 1090; Selig-Kraft, BB 2017 S. 919, 923; Kahle/Braun, FR 2018 S. 197, 204; Schulenburg/Lüder, FR 2019 S. 213).Der BFH schließt sich mit dem vorliegenden Urteil der erstgenannten – und damit für den Steuerpflichtigen günstigen – Rechtsauffassung an.
Praktischer Anwendungsfall – Übertragung von Pensionsverpflichtung auf Rentner-GmbH
X ist alleiniger Gesellschafter der X-GmbH und gleichzeitig deren Geschäftsführer. Die X-GmbH hat dem X eine Pension auf das 67. Lebensjahr zugesagt.
- Rückstellung gemäß § 6a EStG am 31.12.02: 400.000 EUR
- Am 31.12.03 hat die Pensionsrückstellung einen Wert gemäß § 6a EStG von 440.000 EUR.
X will keinen Anspruch vor dem 67. Lebensjahr auf Auszahlung oder Abfindung der Pension.
Gründung der Rentner-GmbH + Übertragung der Pensionsverpflichtung
Der X gründet die Y-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer X ist.
Lt. Vertrag wird vereinbart, dass die Y-GmbH die Pensionsverpflichtung gegenüber X am 30.06.03 mit allen Rechten und Pflichten für 550.000 EUR (= Teilwert/Anwartschaftsbarwert der Pension) von der
X-GmbH übernimmt und später erfüllt (befreiende Schuldübernahme).
Für diese Übernahme der Pensionsverpflichtung zahlt die X-GmbH 550.000 EUR (angemessen) an die Y-GmbH.
Lösung:
Steuerliche Auswirkungen bei der X-GmbH
Da die Y-GmbH die Pensionsverpflichtung gegenüber dem X übernommen hat, entfällt die Verpflichtung zur Passivierung einer Pensionsrückstellung bei der X-GmbH. Es kommt zu einer Ausbuchung der Pensionsrückstellung mit dem Wert zum 31.12.02 in Höhe von 400.000 EUR. Die Berücksichtigung eines fiktiven Passivpostens zum 30.06.03 ist ausgeschlossen.
Gleichzeitig entsteht in Höhe der Zahlung von 550.000 EUR zur Übernahme der Pensionsverpflichtung Lohn-Aufwand.
Buchung:
Pensionsrückstellung X 400.000 EUR an Ertrag 400.000 EUR
Lohn-Aufwand 550.000 EUR an Verbindlichkeit Y-GmbH 550.000 EUR
Gewinnauswirkung – 150.000 EUR
Gemäß § 4f Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG ist der Aufwand in 03 in Höhe von 150.000 EUR bei der X-GmbH nur in Höhe von 10.000 EUR abziehbar (= 150.000 EUR / 15). Der Betrag von 140.000 EUR ist außerbilanziell dem Gewinn wieder hinzurechnen.
Außerbilanzielle Korrektur + 140.000 EUR
In den nächsten 14 Jahren ist bei der X-GmbH außerbilanziell ein Abzug von 10.000 EUR pro Wirtschaftsjahr vorzunehmen.
Nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 18.08.2016 – VI R 46/13, BFH/NV 2017, 16; BFH-Urteil vom 18.08.2016 – VI R 18/13, BStBl. II 2017 S. 730) kommt es auf Ebene des Gesellschafter zu keinem (fiktiven) Lohnzufluss (§ 19 EStG), wenn ihm kein Wahlrecht zustand, den Ablösebetrag alternativ an sich auszahlen zu lassen. Dies gilt auch für den Fall, in dem der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer auch die aufnehmende Rentner-GmbH beherrscht und diese eigens zum Zweck der Pensionsübernahme und Verwaltung des übertragenden Vermögenswerts gegründet wurde. Die Finanzverwaltung folgt der Rechtsprechung des BFH, wenn bei der Übernahme der Durchführungsweg der Pensionsverpflichtung nicht geändert wird (BMF-Schreiben vom 04.07.2017, BStBl. I 2017 S. 883).
Fortführung der Lösung:
Steuerliche Auswirkungen bei X
Es liegt mangels Wahlrecht des X als Gesellschafter kein Zufluss von Arbeitslohn gem. § 19 EStG in Höhe des Anwartschaftsbarwertes der Pensionsverpflichtung (550.000 EUR) und damit auch keine anschließende verdeckte Einlage in die Y-GmbH vor.
Fortführung der Lösung:
Steuerliche Auswirkungen bei Y-GmbH
Die Y-GmbH hat zum 01.07.03 den negativen Kaufpreis von 550.000 EUR zu aktivieren sowie die übernommene Pensionsverpflichtung als Rückstellung mit den Anschaffungskosten von 550.000 EUR zu passivieren (BFH-Urteil vom 14.12.2011 – I R 72/10, BStBl. II 2017 S. 1226; BFH-Urteil vom 26.04.2012 – IV R 43/09, BStBl. II 2017 S. 1228; BFH-Urteil vom 12.12.2012– I R 28/11, BStBl. II 2017 S. 1265).
Buchung:
Aufwand 550.000 EUR an Pensionsrückstellung X 550.000 EUR
Bank 550.000 EUR an Ertrag 550.000 EUR
Gewinnauswirkung 0 EUR
Zum 31.12.03 ist die Pensionsrückstellung nach § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG unter Berücksichtigung des § 6a EStG mit 440.000 EUR anzusetzen (fiktiver Wertansatz bei der X-GmbH).
Buchung:
Pensionsrückstellung X 110.000 EUR an Ertrag 110.000 EUR
Gewinnauswirkung + 110.000 EUR
Der Ertrag in Höhe von 110.000 EUR kann gemäß § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG in Höhe von 14/15 (= 102.666 EUR) in eine gewinnmindernde Rücklage eingestellt werden, die dann über 14 Jahre erfolgswirksam aufzulösen ist.
Buchung:
Aufwand. 102.666 EUR an Rücklage nach § 5 Abs. 7 EStG 102.666 EUR