Besteuerung von Kapitalgesellschaften

Steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen

Fundstelle: BMF-Schreiben vom 04.09.2024, DStR 2024 S. 2125

Hintergrund

Gemäß § 29 Abs. 1 GmbHG haben die Gesellschafter Anspruch auf den Jahresüberschuss zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags, soweit der sich ergebende Betrag nicht nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag, durch Beschluss der Gesellschafter oder als zusätzlicher Aufwand aufgrund des Beschlusses über die Verwendung des Ergebnisses von der Verteilung an die Gesellschafter ausgeschlossen ist. Nach den gesetzlichen Regelungen bildet somit der festgestellte Jahresabschluss der GmbH die Grundlage der Gewinn- bzw. Ergebnisverwendung

Während die Gesellschafter im Gewinnverwendungsbeschluss nach § 29 Abs. 2 GmbHG darüber entscheiden, ob bzw. inwieweit der Gewinn der GmbH thesauriert oder ausgeschüttet wird, bestimmen sie i.R.d. Gewinnverteilung nach § 29 Abs. 3 GmbHG, ob der auszuschüttende Gewinn den Gesellschaftern gemäß ihren Geschäftsanteilenzusteht oder ob er anteilsabweichend verteilt wird (inkongruente Gewinnverteilung).

Es ist gesellschaftsrechtlich zulässig, dass die Gesellschafter einer GmbH im Rahmen der Gewinnverwendung (§ 29 Abs. 2 GmbHG) beschließen können, dass nur die Anteile bestimmter Gesellschafter am Gewinn ausgeschüttet werden, während die Anteile anderer Gesellschafter am Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern in gesellschafterbezogene Gewinnrücklagen eingestellt werden (sog. gespaltene Gewinnverwendung). Für spätere Ausschüttungen aus einer solchen gesellschafterbezogenen Gewinnrücklage, die als Unterkonto der Gewinnrücklage geführt wird, sei dabei erneut ein Beschluss über die Gewinnverwendung zu fassen. Grundlage hierfür ist eine Regelung im Gesellschaftsvertrag.

Mit Urteil vom 28.09.2021 (VIII R 25/19, BStBl. II 2024 S. 688) hat der BFH entschieden, dass eine gesellschaftsrechtlich zulässige gespaltene Gewinnverwendung steuerlich anzuerkennen sei. In dem vorliegenden Fall waren Gewinnanteile an die Minderheitsgesellschafter ausgeschüttet worden. Der auf den Anteil des Mehrheitsgesellschafters entfallende Anteil am Gewinn war nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt worden. Aus Sicht des BFH führte die Einstellung in die gesellschafterbezogene Gewinnrücklage nicht zu einem Zufluss i.S. von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG und folglich nicht zu einer Besteuerung des Mehrheitsgesellschafters. Es ist damit möglich, dass Gewinnausschüttungen aus einer Kapitalgesellschaft zeitlich versetzt bei den Gesellschaftern erfolgen können.

In der Praxis kann es vorkommen, dass Gewinne bei einer Kapitalgesellschaft z.B. aufgrund besonderer Gesellschafterleistungen abweichend vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zwischen den Gesellschaftern verteilt werden sollen (Gewinnverteilung, § 29 Abs. 3 GmbHG). Für diesen Fall muss eine abweichende (inkongruente) Gewinnverteilung von den Gesellschaftern beschlossen werden. 

Die Finanzverwaltung hat bisher schon Fälle anerkannt, in denen in der Satzung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft eine abweichende Gewinnverteilung explizit vorgesehen ist oder die Satzung eine entsprechende Öffnungsklausel für inkongruente Ausschüttungen enthält.

Der BFH hatte mit einem weiteren Urteil vom 28.09.2022 (VIII R 20/20, BStBl. II 2024 S. 697) entschieden, dass auch punktuell satzungsdurchbrechende Beschlüsse über eine inkongruente (Vorab-)Ausschüttung einer GmbH als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss einer Besteuerung zugrunde zu legen seien, wenn diese nur punktuell, nicht aber mit Wirkung für die Zukunft satzungsdurchbrechend seien. Satzungsdurchbrechende Beschlüsse mit Dauerwirkung sind aus Sicht des BFH dagegen nichtig, solange nicht alle materiellen und formellen Bestimmungen einer Satzungsänderung – insbesondere die notarielle Beurkundung und Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister nach § 53 Abs. 2 Satz 1, § 54 Abs. 1 GmbHG – eingehalten werden. 

Inhalt des BMF-Schreibens

Mit BMF-Schreiben vom 04.09.2024, welches das BMF-Schreiben vom 17.12.2013 (BStBl. I 2014 S. 63) ersetzt und in allen noch offenen Fällen Anwendung findet, übernimmt das BMF die Sichtweise des BFH.

Ob es sich dabei um Vorabgewinnausschüttungen handelt oder um normale Gewinnausschüttungen ist unerheblich (vgl. auch Ott, StuB 2024 S. 769, 771). Auch ist ein nicht mehr von Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO auszugehen (vgl. auch Lührs/Busmann, DK 2024 S. 390, 391). Auf das Vorliegen beachtlicher wirtschaftlich vernünftiger, außersteuerlicher Gründe kommt es dann nicht mehr an.